Duerfen wir die physikalischen Gesetze auf das Universum anwenden?

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DUERFEN WIR DIE PHYSIKALISCHEN GESETZE AUF DAS UNIVERSUM ANWENDEN ?



Tief eingewurzelt in der Seele des Menschen liegt der Wunsch, die Welt, die ihn umgiebt und von der er ein Teil ist, zu ergruenden, ihre Geheimnisse zu erforschen, einen Einblick zu erhalten in das innerste Wesen von dem, was geschieht. Der Mensch will wissen und er will verstehen. Mit heissem Bemuehen sucht und entdeckt er immer neue Vorgaenge, strebt er Antwort zu erhalten auf die drei grossen Fragen: was ereignet sich in der Welt, die seinem Studium zugaenglich ist? Wie verlaufen diese Ereignisse, welchen qualitativen Regeln und welchen quantitativen Gesetzen sind sie unterworfen und welch tiefinnerer Zusammenhang knuepft sie aneinander? Welches ist die Ursache der Erscheinungen und wohin fuehren sie, wo sind ihre Quellen und wo ist das Meer, in welches sie muenden?

Grenzenlos ist das Sehnen nach der Wahrheit und nur mit Widerwillen und Bedauern bleibt der Mensch stehen an den Schranken, die seinem Forschen gestellt sind. Immer wieder sucht er neue Wege um diese Schranken zu vernichten oder zu umgehen, in’s Grenzenlose streben seine Gedanken, sie wollen nicht Halt machen vor den Abgruenden, nicht verzagt stehen bleiben vor den Gebirgen, die seine Wege unterbrechen und ihn trennen von der ersehnten Wahrheit.

Aus diesem Forschen und Suchen, Denken und Finden entstand die Gesammtheit der Wissenschaften, jenes koestliche, unvergleichliche Diadem auf dem Haupte der Menschheit, dessen Strahlen ueberall hin dringen, in die Vergangenheit und in die Zukunft, und die Gegenwart erhellen, so dass wir lernen zu sehen. [p. 42 modifica]Mit Recht ist die Menschheit stolz auf dieses Diadem, in welchem die Naturwissenschaften einen Streifen bilden von strahlenden Edelsteinen und unter diesen die Physik im Zentrum, als einer der strahlendsten und edelsten. Ihr Gebiet ist die Welt der todten Materie; aber sie macht nicht Halt vor der lebenden Materie und nur das Leben selbst und die Vorgaenge, die allein das Leben hervorruft, ueberlaesst sie ihren Nachbarn, den biologischen Wissenschaften.

Riesengross ist das Heer von Erscheinungen, welche die Physik entdeckt, studiert und zu erklaeren versucht hat; alljaehrlich erweitert sich ihr Gebiet und staunend hoert der Einzelne von den neuen Entdeckungen, den aufgefundenen Gesetzen, den kuehnen, umwaelzenden Ideen und den wunderbaren technischen Anwendungen, die der Kultur ihr charakteristisches Gepraege geben und ihr neue Wege eroeffnen. Es waere zwecklos Einzelnes aus den Fortschritten der letzten Jahre hier anzufuehren ; das Wichtigste ist ja allbekannt und nicht ein Einzelnes ist der Gegenstand unserer Betrachtung, sondern eine sehr allgemeine Frage, die unabhaengig ist von dem augenblicklichen Inhalt unserer Wissenschaft.

Dieser Inhalt der Physik besteht aus zwei Teilen, von denen der erste in hohem Grade sicher und unzweifelhaft, der zweite aber in ebensolchem Grade unsicher und zweifelhaft ist.

Der erste Teil handelt von den beobachteten Tatsachen, von den qualitativen und quantitativen Verhaeltnissen, die in den physikalischen Erscheinungen zu Tage treten, also von den Kegeln und Gesetzen, denen diese Erscheinungen unterworfen sind. Die Zahl dieser Regeln und Gesetze ist sehr gross. Die meisten beziehen sich immer nur auf einen sehr kleinen Kreis von Erscheinungen spezieller Art; doch giebt es eine, wenn auch nicht grosse Anzahl, die einen sehr hohen Grad von Allgemeinheit besitzen und mehr oder weniger fast saemmtliche physikalischen Erscheinungen beherrschen.

Der zweite Teil der Physik handelt von den Versuchen, die uns bekannten physikalischen Erscheinungen durch gewisse hypothetische Vorstellungen unter einander zu verbinden, das Faktum ihrer Entstehung und die Regeln und Gesetze, denen sie unterworfen sind, als logische Notwendigkeit aus jenen Vorstellungen abzuleiten. Handelt also der erste Teil von dem, was auf der fuer uns offenen Buehne der physikalischen Erscheinungswelt vorgeht, so ist es die Aufgabe des zweiten [p. 43 modifica]Teiles zu erraten, was sich hinter den Kulissen jener Buehne befindet.

In der engen Verflechtung und der gegenseitigen Durchdringung dieser beiden Teile liegt das Wesen der Physik, als Wissenschaft.

Aus der Gesammtheit dessen, was die Naturwissenschaften lehren, was sie teils ueberzeugend als vorhanden nachgewiesen, teils nur ahnend und vermutend als Hypothesen aufgebaut, entsteht fuer den denkenden Menschen das sogenannte Weltbild, eine Vorstellung von den wichtigsten Charakterzuegen alles dessen, was in dem unserer Beobachtung zugaenglichen Raume sich vollzieht. Stellenweise ist dies Weltbild klar und deutlich und bis zu feinen Details ausgearbeitet; an anderen Stellen sind nur die groeberen Konturen hingeworfen und wieder an anderen zerfliesst es in nebelhaften Schatten. Nur sehr wenige und kleine Teile des Bildes sind mit unausloeschlichen Farben fuer ewige Zeiten als ein unzerstoerbares Erbgut der Menschheit vollendet. Sie entsprechen den wenigen Strahlen, welche die verborgene Wahrheit bisher dem forschenden Menschengeiste enthuellt hat. Alle uebrigen Teile des Bildes sind aufgebaut auf unseren gegenwaertigen Meinungen und Ansichten, auf dem, was wir zu wissen glauben. Mit diesen Meinungen und Ansichten aendert sich das Bild von Jahr zu Jahr und nach einem kurzen Jahrzehnt ist es oft kaum wiederzuerkennen. So hat jede Zeit ihr Weltbild und die Geschichte seiner Veraenderungen ist eben die Entwickelungsgeschichte der Wissenschaft. Wenn sich die fuer immer fertigen Teile des Bildes vergroessern, so sprechen wir von einem Fortschritte der Wissenschaft.

Auch der gegenwaertigen Zeit entspricht ein bestimmtes Weltbild und auf dieses sollen sich unsere weiteren Betrachtungen beziehen.

Denken wir an das Weltbild, so taucht vor unserem Geiste vor allem die grosse Frage auf, ob sich dies Bild auf die Welt oder auf das Universum bezieht, denn wir wollen Welt und Universum scharf unterscheiden.

Wir wollen dem Worte « Welt » eine bescheidene, dem Sprachgebrauch entsprechende Bedeutung beilegen. In unzaehligen Wortkombinationen ist mit dem Begriff der Welt etwas endliches, etwas begrenztes verbunden. Wir sprechen von der Welt des Seemanns, des Juristen, des Kuenstlers, von der [p. 44 modifica]Welt des Kindes und von der des Kaufmanns, von der vornehmen Welt und von dem Gluecklichen, dem seine Familie seine ganze Welt ist. Aber wir wollen den Begriff der Welt ueber solch enge Grenzen gewaltig ausdehnen, ohne ihn doch in’s Grenzenlose wachsen zu lassen. Unter der « Welt » wollen wir die Gesammtheit dessen verstehen, was sich in dem unserer Beobachtung zugaenglichen Räume befindet. Dieser Raum ist, nach unseren Begriffen, von enormer Grösse, denn er umfasst die entferntesten Nebelflecke, die das Fernrohr oder die photographische Platte uns enthuellen. Dieses ist die Welt des Naturforschers, speziell die Welt des Physikers. Den Raum, der diese Welt umfasst, wollen wir den astronomischen Raum nennen und durch den Buchstaben A kurz bezeichnen. Viele Jahrtausende braucht das Licht um den Raum A zu durcheilen, obwohl es in einer kurzen Sekunde dreihundert tausend Kilometer zuruecklegt. Nur durch Zahlen koennen wir seine Groesse ausdruecken; aber diese Zahlen geben uns kein anschauliches Bild, denn die Phantasie versagt bereits bei so unvergleichlich geringeren Strecken, wie z. B. der Entfernung zwischen der Erde und der Sonne und nur die Gedanken durcheilen den Raum A und schweifen bis an die Grenzen der Welt, unserer Welt.

Die Gesammtheit alles Seienden wollen wir als Universum bezeichnen. Die Welt des Naturforschers im Räume A bildet sicher nur einen Teil des Universums.

Der ruhelose menschliche Geist will sich nicht mit den zahllosen Problemen begnuegen, die der astronomische Raum A ihm stellt. Er will noch weiter vordringen, obwohl er bisher nur einen winzigen Teil dieser Probleme geloest hat, obwohl selbst die mikroskopische Zelle, die auf der Erde lebt, ihm Aufgaben stellt, deren Bewaeltigung noch vieler, vielleicht nie endender Arbeit bedürfen wird.

Und so stellt er sich eine Reihe kuehner Fragen ueber die Eigenschaften des Universum, darunter die Hauptfrage: Ist das Weltbild anwendbar auf das Universum?

Selbstverstaendlich lassen wir die zur Biologie gehoerenden Teile des Weltbildes aus dem Spiel, denn das Lebendige kennen wir nur auf der Erde und das ist ein zu kleiner Stuetzpunkt fuer universale Spekulationen.

Wir wollen nur von den Eigenschaften der nicht lebenden Materie sprechen, d. h. also von dem Inhalte der Physik und [p. 45 modifica]dann lautet unsere Frage einfacher: Ist der physikalische Teil des Weltbildes anwendbar auf das Universum? Anders ausgedrueckt: Duerfen wir annehmen, dass die physikalischen Erscheinungen im Universum ueberall genau so verlaufen, wie es unserem Weltbilde entspricht? Ist die Materie, d. h. das im Räume A real Vorhandene, zugleich das im Universum allein real Vorhandene, oder giebt es im Universum ganz anderes real Vorhandenes mit gaenzlich anderen Eigenschaften, beherrscht von ganz anderen Gesetzen?

Es bedarf wohl nicht des Hinweises, dass wir die chemischen Erscheinungen als einen Teil der physikalischen auffassen und dass wir unter Materie nicht blos die sogenannte waegbare verstehen, sondern alle Substrate der physikalischen Erscheinungen, also auch den Aether, falls er existiert, und die Elektrizitaet, die zu dem heutigen Weltbilde gehoeren.

Wir koennen nun den obigen Fragen auch noch eine andere, viel einfachere Fassung geben, naemlich : Ist das Universum homogen? Hier soll aber der Begriff der Homogenitaet sich nur auf das Wesentliche beziehen, nicht aber auf die Details. Es moegen also ausserhalb des Raumes A, in anderen Teilen des Universum Stoffe vorhanden sein, z. B. Gase oder Metalle, die im Räume A fehlen; oder solche Formen und Kombinationen von Weltkoerpern, die im Räume A nicht vorkommen. Dies wuerde uns nicht hindern, das Universum fuer homogen zu halten, denn die wirklich wesentlichen, die Grundeigenschaften waeren desshalb doch die gleichen in jenen anderen Teilen des Universum, wie in dem Raume A.

Bei jedem, auch dem leisesten Versuche irgend etwas lieber das Universum auszusagen, stossen wir mit verhaengnissvoller Notwendigkeit auf die boese Frage: ist das Universum inbezug auf Raum und Materie endlich oder unendlich? Und an dieser Frage, an dieser unentrinnbaren Klippe leiden alle Schiffbruch, die sich hinauswagen aus der uns bekannten Welt in das uferlose Universum. Nur das eine koennen wir mit Sicherheit sagen: Endlich, im gewoehnlichen Sinne des Wortes, d. h. allseitig begrenzt, kann das Universum nicht sein. Dies bedarf keines Beweises. Folgt nicht hieraus sofort, dass das Universum unendlich ist? Was nicht endlich ist — muss es nicht durchaus unendlich sein? Oder giebt es ein drittes? Darauf giebt es nur eine Antwort: wir kennen kein drittes, koennen uns kein drittes vorstellen. Daraus folgt aber nicht, dass es kein drittes [p. 46 modifica]giebt, denn wir haben kein Recht zu behaupten, dass alles, was existiert, in den engen Rahmen unserer Vorstellungen hineinpassen muss, dass es aehnlich sei dem, was uns unsere Sinne gezeigt haben und was wir daher begreifen oder zu begreifen glauben.

Man hat sogar den kuehnen Versuch gemacht ein drittes zu konstruieren. Die Kreislinie und die Kugeloberflaeche sind dank ihrer Kruemmung unbegrenzt und dennoch endlich. Koennte nicht vielleicht der Raum in seiner innersten, unserer Anschauung unzugaenglichen Struktur eine innere Krümmung besitzen, in sich selbst zuruecklaufen und daher grenzenlos und dennoch endlich sein ? Aber die Kreislinie ist die Grenze einer zweidimensionalen Flaeche und die Kugeloberflaeche ist die Grenze eines dreidimensionalen Raumes. Muesste nicht dann der Raum ebenso die Grenze eines vierdimensionalen Gebildes sein? Was waere dann die vierte Dimension jenes Gebildes? Vielleicht jene raetselhafte Groesse, die sich uns, dreidimensionalen Wesen, als Zeit darstellt? Nebelhafte Phantasien, die zu keinem greifbaren Ziele fuehren!

Bleiben wir also dabei, dass ein drittes fuer uns unfassbar ist, doch wollen wir uns hueten daraus zu folgern, dass ein drittes unmoeglich sei.

Es haben sich aber Forscher gefunden, die mit diesem letzteren Satze durchaus nicht einverstanden sind und die da glauben, dass das unserem Verstände unfassbare auch unmoeglich sei. Sie folgerten daher ganz einfach: da das Universum nicht endlich sein kann, so muss es unendlich sein. Raum und Materie sind daher unendlich. Und sie glaubten etwas reales auszusprechen und auf diese Weise sogar ein festes Fundament zu erhalten fuer weitere Spekulationen. Sonderbarerweise blieben sie bei solch falschen, pseudowissenschaftlichen Schluessen nicht stehen, sondern gingen noch viel, viel weiter, indem sie die weitere kuehne Annahme hinzufuegten, dass das unendliche Universum homogen sei. Homogen, in dem oben angegebenen Sinne, d. h. also nur solche Variationen enthaltend, die unserem Verstände ebenso zugaenglich sind, wie das im Räume A enthaltene. Das fuer den Raum A, fuer unsere astronomische Welt, als gueltig erkannte, also vor allem die physikalischen Gesetze, sollen auch fuer das unendliche Universum gelten. Solch kuehne Annahmen wuerden auf anderen Gebieten vielleicht Bewunderung erregen. Als Loesung [p. 47 modifica]des Universum-Probleme» koennen sie nur Verwunderung hervorrufen, denn sie zeugen von Gedankenlosigkeit und mangelhafter naturwissenschaftlicher Erkenntniss.

Versuchen wir es aber doch, jenen Forschern entgegen zu kommen, uns das Objekt ihrer Betrachtungen etwas naeher anzusehen. Wir wollen also zugeben, dass das Universum unendlich ist; wir wollen vergessen, dass dies eine inhaltslose Zusammenstellung ist von leeren Worten und wollen uns einbilden, dass wir mit jenen Worten einen Sinn verbinden, oder gar — dass wir diese Worte verstehen.

Das unendliche Universum! Wollen wir den Versuch machen uns diesem Universum wenigstens zu naehern und uns den viel missbrauchten Umstand zu Nutzen machen, dass das Papier geduldig ist. Wir erwaehnten oben, dass unsere Vorstellung erlahmt, wenn es sich auch nur um die kleine Strecke von der Erde bis zur Sonne handelt, dass aber unsere Gedanken muehelos hinueberschweifen bis zu den Grenzen des Raumes A. Jetzt aber wollen wir einen Raum Z konstruieren, bei dem selbst der Flug unserer Gedanken erlahmt und nichts bleibt, als eine Kombination von Zahlen und das geduldige Papier.

Wenn ein Gas, also z. B. die Luft, die Temperatur 0° und den Druck einer Atmosphaere besitzt, so sagt man gewoehnlich, dass das Gas sich in normalem Zustande befindet. Die Physik behauptet gegenwaertig, dass sich in einem Kubikzentimeter eines solchen Gases etwa 20 Trillionen (eine 2 mit neunzehn Nullen) von einzelnen Molekuelen befinden. Denken wir uns den ganzen astronomischen Raum A mit einem Gas in normalem Zustand gefuellt und es sei N die Zahl der Molekuele in diesem Raume A. Nehmen wir an, dass das Licht zehntausend Jahre braucht, um von den Grenzen des Raumes A bis zu uns zu gelangen, so wuerde die Zahl N etwa neunzig Stellen haben, also durch eine Eins mit 90 Nullen zu schreiben sein. Es sei nun A1 ein Raum der N astromische Raeume A enthaelt, der also ebensoviel mal groesser ist, als der Raum A, wie der Raum A groesser ist, als der zwanzigtrillionste Teil eines Kubikzentimeters. Und nun gehen wir weiter, noch viel weiter, denn das Papier ist geduldig. Wir fuellen den Raum A1 mit einem Gas in normalem Zustande, bezeichnen mit N1, die Zahl seiner Molekuele und mit A2 einen Raum, der N1 Raeume A1, enthaelt. Den Raum A2 fuellen [p. 48 modifica]wir wiederum mit den N2 Molekuelen eines Gases in normalem Zustande und bezeichnen mit A3 einen Raum, der N2 Raeume A2 enthaelt. Dreimal haben wir eine gewisse Manipulation auf dem Papiere ausgefuehrt und sind dabei von der winzigen astronomischen Welt A bis zu dem Räume A3 gelangt. Allerdings schreiben wir nur Worte; unsere Gedanken sind laengst erlahmt und zurueckgeblieben. Sollen wir stehen bleiben? Warum? Nichts hindert uns weiter zu schreiben auf dem geduldigen Papier, den Raum A3 ebenfalls mit Gas zu fuellen und zu dem Räume A, ueberzugehen und die gleiche Manipulation immer von neuem zu wiederholen. Und wir wollen es ruhig hinschreiben, dass die gleiche Manipulation tausend Millionen mal wiederholt wurde und den auf diese Weise zuletzt erhaltenen Raum mit dem Buchstaben Z bezeichnen.

Eine gewaltige Anstrengung, eine zuegellose Phantasie hat uns zu dem fabelhaften Raume Z gefuehrt und wir duerfen hoffen, dass wir auf unserer kuehnen Abänderung uns doch einigermassen dem unendlichen Universum genaehert haben, von dem die oben erwaehnten Forscher mit solcher Seelenruhe sprechen und welches sie fuer homogen erklaeren.

Ist es uns gelungen? Haben wir durch die Konstruktion des Raumes Z etwas erreicht? Fuehlen wir endlich die Naehe des Unendlichen? Nein! tausendmal Nein! Nichts ist uns gelungen, nichts haben wir erreicht und das unendliche Universum ist uns ebenso fern geblieben, als haetten wir, statt des Raumes Z, nur den Raum unserer Wohnstube betrachtet. Denn das unendliche Universum jener Forscher enthaelt noch gerade ebenso unendlich viel Raeume Z, wie es unendlich viel Raeume enthaelt, von denen jedes in unserer Wohnstube Platz findet. Unsere Muehe hatte keinen Erfolg und hoffnungslos muessen wir den Versuch aufgeben. Nur das Eine wollen wir uns merken: Im unendlichen Universum ist der Raum Z ebenso winzig, ja sogar verschwindend klein, wie der Raum, der in einem Fingerhut Platz findet und wir wollen besonders fest halten, dass der Raum Z im unendlichen Universum unzweifelhaft vorhanden ist. Ueber sein Verhaeltniss zu dem uns bekannten astronomischen Räume A koennen wir mit Worten nichts aussagen, denn fuer solche Verhaeltnisse hat die Sprache keine passenden Worte.

Nach der Ansicht der erwaehnten Forscher muss der Raum Z homogen sein, d. h. ueberall sollen in ihm die gleichen [p. 49 modifica]Gesetze gelten, wie in unserem astronomischen Räume A. Duerfen wir dies als eine Kuehnheit bewundern, oder sollen wir es als einen Leichtsinn bedauern ?

Um auf diese Frage eine Antwort zu erhalten, wollen wir unserer Phantasie einen Zwang antun und wie wir eben den unfassbar grossen Raum Z konstruierten, so wollen wir jetzt in das entgegengesetzte Extrem verfallen und ein Volk konstruieren von unfassbar kleinen Wesen.

Vor einem kurzen Jahrzehnt gehoerten zu dem Weltbilde Atome, als kleinste Teilchen der chemisch nicht weiter zerlegbaren Elemente und zwar Atome, die man sich etwa als starre, jedenfalls aber homogene Kuegelchen vorstellte. Dieser Teil des nun bereits veralteten und aufgegebenen Weltbildes ist gegenwaertig durch einen voellig anderen ersetzt worden. Das Atom soll eine ganze kleine Welt fuer sich sein und zwar eine sehr komplizierte Welt, die teils aus gewoehnlicher Materie, teils aus Elektronen besteht, vielleicht aber auch ganz und gar aus Elektronen aufgebaut ist; auch sollen innerhalb des Atomes sehr schnelle und verwickelte Bewegungen stattlinden. Ein grosser Forscher tat den Ausspruch, dass ein Atom vermutlich einen viel verwickelteren Bau hat, als ein Klavier. Wir wissen nicht, wie dieser Teil des Weltbildes nach weiteren zehn Jahren aussehen wird, aber wir wollen annehmen, dass er der Wirklichkeit entspricht.

Stellen wir uns vor, ein solches Atom werde von winzigen Geschöpfen bewohnt, die geistig dem Menschen aehnlich sind; dass ganze Voelker auf einem Atom entstehen, leben und vergehen und dass in ihnen der gleiche Wissensdurst herrscht, der fuer den menschlichen Geist so charakteristisch ist. Durch weite und kuehne Wanderungen, durch aufmerksames Beobachten haben sie nach vielen Muehen den verwickelten Bau und die Bewegungen in allen Teilen ihrer kleinen Welt studiert und erkannt. Geniale Forscher und scharfsinnige Erfinder haben sich unter ihnen gefunden und sie entdeckten, dass ganz aehnliche Welten in einer fuer sie unerreichbaren Ferne sich bewegen, bis zu den groessten Entfernungen, die ihre Instrumente durchdringen. Die Welt, auf der sie leben, sei nun ein Kupferatom innerhalb einer Kupfermuenze; ihre astronomische Welt, die Millionen solcher Atome enthaelt, ist fuer uns hoechstens ein mikroskopisches Kupferstaeubchen.

Nun wollen wir uns vorstellen, dass sich unter jenen [p. 50 modifica]Wesen Forscher finden, die den Sprung wagen von der ihrem Studium zugaenglichen Welt zum Universum und dass sie die Behauptung aufstellen, das Universum, d. h. die Gesammtheit alles Seienden, sei homogen, besitze genau die Eigenschaften, sei erfuellt nur von den Erscheinungen, die sie in der ihnen zugaenglichen, in ihrer astronomischen Welt beobachtet und entdeckt haben. In unserer Sprache wuerde dies heissen: das Universum besteht aus Kupfer.

Waere eine solche Hypothese kuehn oder leichtsinnig! Da wir wissen, dass sie falsch ist, so muessen wir uns wohl fuer das leztere entscheiden! Keinen Unterschied koennen wir entdecken zwischen jenen Wesen und unseren Forschern, die das Universum, oder auch nur den Raum Z fuer homogen erklaeren und so muessen wir wohl die oben gestellte Frage mit den Worten beantworten: nicht kuehn, sondern leichtsinnig!

Wie erklaert sich psychologisch dieser Leichtsinn, diese Leichtigkeit des Ueberganges von dem winzigen Raume A unserer astronomischen Welt, ueber den fabelhaften Raum Z weg zu dem unendlichen Universum? Vielleicht duerfte die folgende Erklaerung der Wahrheit nahe kommen : Nicht ohne eine gewisse Anstrengung schweifen unsere Gedanken zu den Grenzen des Raumes A, zu den entferntesten Nebelflecken, die unsere Instrumente uns zeigen. Die Grenze des auf solche Weise Erreichbaren erscheint uns unwillkuerlich als eine Grenze ueberhaupt, hinter welcher hoechstens noch Platz ist fuer die Worte « und so weiter ». In diesen, nicht viel Raum beanspruchenden Worten steckt der ganze Uebergang von der astronomischen Welt zu dem unendlichen Universum und dieser Uebergang scheint daher leicht und kurz.

Ein in dem oben angegebenen Sinne nicht homogenes Universum koennen wir uns nicht vorstellen, nicht begreifen, denn in diesem Universum sollen Raeume vorhanden sein, deren Inhalt in keiner oder fast in keiner Weise dem Inhalt unseres Raumes A auch nur entfernt aehnlich ist. Aber dies ist kein Grund zur Behauptung, dass das dem bekannten unaehnliche auch unmoeglich sei. Nicht nur im unendlichen Universum, sondern bereits in dem fabelhaften Raume Z koennen unzaehlige Verschiedenheiten vorhanden sein, die alle untereinander nichts wesentlich aehnliches darbieten, die also in jeder Beziehung einander unaehnlich sind. [p. 51 modifica]Es waere zwecklos und vergebliches Bemuehen, wenn wir versuchen wollten ueber den Inhalt jener anderen Teile des Raumes Z uns in positive Spekulationen einzulassen; wir kaemen nicht hinaus ueber unwissenschaftliche, weil auf nichts begruendete Phantasien.

Eher laesst sich auf dem Wege von Negationen etwas erreichen, indem wir versuchen uns loszumachen von dem, was uns bekannt ist und uns die Frage stellen: welche Erscheinungen unserer astronomischen Welt A muessen aus irgendwelchen Gruenden in allen Teilen des Raumes Z die gleichen sein? welche Eigenschaften der Materie, welche physikalischen Gesetze?

Die einzige richtige Antwort darauf ist: Gar keine! Es laesst sich kein Grund auffinden, der uns zwaenge nach irgend einer Richtung eine Gleichheit oder auch nur Aehnlichkeit anzunehmen oder gar zu behaupten. Ueber den Charakter dessen, was in anderen Teilen des Raumes Z das uns bekannte ersetzt, brauchen wir uns keinen zwecklosen Phantasien hinzugeben.

In unserem Räume A haben wir feste, fluessige und gasfoermige Materie; ausserdem finden wir auf der Erdoberflaeche Spuren sonderbarer Stoffe : die radioaktiven, die Emanationen, die a-Strahlen und die Elektrizitaeten. Eine Welt, in welcher diese Stoffe die Hauptrolle spielen und in welcher unsere gewoehnliche Materie nur in Spuren, oder garnicht vorhanden waere, wuerde sich bereits sehr wesentlich von unserer Welt A unterscheiden.

Das Newton’sche Gesetz der Anziehung kann in fernen Teilen des Raumes Z durch ein ganz anders lautendes ersetzt sein, durch eine Abstossung oder gar durch eine seitwaerts wirkende Kraft, wie wir sie bei gewissen elektromagnetischen Erscheinungen sogar auf der Erde beobachten.

Aber die grossen Grundgesetze? Die Erhaltung der Massen, die Erhaltung der Energie und das sogenannte Entropiegesetz, welches nichts anderes ist, als das Entwickelungsgesetz der Welt A? Muessen diese Gesetze nicht ueberall gelten? Keineswegs! Bereits ist im heutigen Weltbilde der kuehne Gedanke, wenn auch vorerst nur leise und schuechtern aufgetaucht, dass Materie sich in Energie und Energie in Materie verwandeln koenne, wenn auch in unmessbar, d. h. unwaegbar geringen Quantitaeten. Eine Welt, in welcher diese Verwandlungen im Vordergrunde der Erscheinungen staenden, wuerden wir wohl kaum als eine der unserigen aehnliche wiedererkennen. [p. 52 modifica]Auch das Entwickelungsgesetz koennte in jener Welt ein total anderes sein, als in der unsrigen, ganz abgesehen davon, dass selbst unser Weltbild, wie Boltzmann gezeigt hat, es nicht nur fuer moeglich erklaert, sondern mit Sicherheit ausspricht, dass es bereits im Räume Z Teile giebt, fuer die unser Entropiesatz aufhoert die Vorgaenge zu beherrschen.

Hoeren wir auf mit zwecklosem Phantasieren! Das moderne Weltbild, welches der gegenwaertigen Physik entnommen ist, giebt uns nicht das entfernteste Recht auch nur den Raum Z fuer homogen zu halten. Eher das Gegenteil! Werfen wir einen Blick auf die uns umgebende lebendige Welt, auf die Fauna und auf die Flora! Welch endlose Mannigfaltigkeiten treten uns da entgegen! Allerdings hat es sich gezeigt, dass alle diese Mannigfaltigkeiten doch auch manches Gemeinsame besitzen; es genuegt wohl an den Zellenbau und an die Eiweisskoerper zu erinnern. Analog ist es ja moeglich, dass allen Teilen des Raumes Z oder auch des Universum gewisse Erscheinungen gemeinsam sind. Uns sind sie unbekannt.

Wer durch oberflaechliche Kenntniss der physikalischen Erscheinungen und Gesetze sich verfuehren laesst, ihre Anwendbarkeit fuer das Universum, oder auch nur fuer den Raum Z zu behaupten, der treibt Missbrauch mit der Wissenschaft und richtet schweren Schaden an in den Koepfen der wissensdurstigen, leichtglaeubigen Leser, die ein falsches Bild erhalten von dem, was die Wissenschaft leistet und von dem, was sie leisten kann. Eine schwere Verantwortung trifft diese Forscher, die sich nicht selten eines grossen Erfolges, einer faszinierenden, beinahe hypnotisierenden Wirkung auf die irregefuehrten Leser erfreuen.

Den Fehler, den diese Forscher begehen, koennte man am einfachsten vielleicht als einen verallgemeinerten Antropomorphismus bezeichnen: die dem Menschen bekannte und begreifliche Welt muss die einzige moegliche Welt sein!

Auf die Frage nach den Eigenschaften des Universum muessen wir also offen und ehrlich sagen: ignoramus! Muessen wir aber durchaus auch sagen: ignorabimus? Nein! dazu ist kein zwingender Grund vorhanden. Die Zukunft kann solche Entdeckungen, insbesondere aber solche neue Ideen bringen, dass das Raetsel des Universum geloest oder wenigstens einer Loesung genaehert wird. Es sind in den letzten Jahren ganz neue, kuehne Gedanken aufgetaucht ueber die verborgenen Eigenschaften von Raum und Zeit; den Anstoss zu ihnen [p. 53 modifica]gab Einstein in Bern. In der Darstellung und in den Anwendungen dieser neuen Gedanken ist wohl noch vieles dunkel und unklar; aber der emsigen Arbeit vieler grosser Forscher, die gegenwaertig an jenen neuen Gedanken arbeiten, wird es gelingen, Licht und Klarheit in dies neue Gebiet zu bringen.

Vielleicht wird dieser Weg mit der Zeit zu ungeahnten Aufschluessen fuehren. Vielleicht aber — auch nicht! Vielleicht liegt das Problem des Universum bedingungslos ausserhalb der ewigen Grenzen menschlicher Fassungskraft und es bleibt bei dem Ignorabimus. Wir brauchen nicht gerade an die niedere Thierwelt zu denken um ein Analogon zu finden fuer solche Grenzen des Fassungsvermoegens. Der Intellekt jener kleinen Wesen, von denen wir oben sprachen, mag dem des Menschen nicht nachgeben und dennoch liegt unsere Welt ebenso ausserhalb ihrer Vorstellung, wie der Raum Z ausserhalb der unserigen; der Raum Z kann also ebenso unhomogen sein im oben erklaerten, erweiterten Sinne des Wortes, wie unsere astronomische Welt unhomogen ist im engsten Sinne des Wortes und nicht etwa nur aus Kupfer aufgebaut ist. Vielleicht ist der Raum Ax homogen d. h. er besteht aus N (eine Eins mit 90 Nullen) Welten die sich nicht wesentlich von unserer astronomischen Welt A unterscheiden; vielleicht sind auch A2, A3 u. s. w. bis A10 homogen. Aber von A10 bis Z ist noch ein sehr weiter Weg, auf dem zuerst leise anwachsende Variationen auftreten koennen, bis zur voelligen Veraenderung aller Erscheinungen und Gesetze.

Wir wissen nicht, ob dies Universum-Bild richtig ist; aber noch viel weniger haben wir ein Recht zu behaupten, dass es falsch, dass das Universum homogen sei. Es entspricht der wahren Groesse der Wissenschaft und zeugt von richtiger Selbsterkenntniss, wenn wir den Mut haben einzugestehen, dass es auch in dieser Frage eine Schranke giebt, ueber die wir noch nicht hinausgelangt sind. Wir sollen die Wissenschaft nicht herabwuerdigen, indem wir sie als Zeugen anrufen fuer Behauptungen, die ihr fremd sind und mit denen wir den Jubel einer irregefuehrten Menge erregen. Wir wollen weiter arbeiten und auf die ferne Zukunft hoffen, die der Menschheit die Loesung manches Raetsels bringen wird; vielleicht werden dereinst auch die Schleier fallen, die uns jetzt noch das Raetsel des Universum verhuellen.

St.[.t] Petersburg, Universität.