Scientia - Vol. VII/Die Druckkräfte des Lichtes
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DIE DRUCKKRÄFTE DES LICHTES
Fällt ein Bündel Lichtstrahlen auf einen Körper, so wird ein Teil der auffallenden Strahlen zurückgeworfen und der andere Teil geht durch den Körper hindurch (durchsichtige Körper), oder wird von dem Körper absorbirt (undurchsichtige Körper). Diese bekannten Erscheinungen lassen sieh unter einem einheitlichen Gesichtspunkte zusammenfassen und das Verhalten des Lichtes lässt sich in unzähligen Specialfällen auf das genaueste voraussehen, wenn wir Maxwell folgend die Anname machen, dass die Wellen des Lichtes elektromagnetische Wellen sind, Wellen von derselben Art wie die, welche wir jetzt künstlich durch elektrische Vorgänge erzeugen können und bei der drahtlosen Telegraphie von Antennen ausstrahlen lassen: ein Unterschied besteht nur darin, dass die Wellenlängen der drahtlosen Telegraphie Hunderte von Metern betragen, während die elektromagnetischen Wellen eines Lichtbündels etwa eine Milliarde mal kleiner sind und nach Hunderten eines Milliontel Millimeter gemessen werden. Als Maxwell alle Eigentümlichkeiten im Verhalten eines Lichtbündels, welche wir aus den verschiedenartigsten Untersuchungen kennen, durch seine Anname über die elektromagnetische Natur des Lichtes vollständig erklärt hat, hat er gleichzeitig auch darauf hingewiesen dass diese Anname untrennbar mit neuen bis dahin unbekannten magnetischen und elektrischen Kräften des Lichtes verbunden sein muss: die Lichtstrahlen müssen einen Druck auf diejenigen Körper ausüben auf welche sie fallen. Dass diese Eigenschaft des Lichtes den Forschern entgangen war erklärt sich leicht aus den ausserordentlich geringen Betragen dieser Kräfte: Maxwell berechnete (1873) dass bei klarem Himmel zur Mittagszeit die Druckkraft der Sonnenstrahlung auf vier Quadratmeter Fläche kaum dem Gewichte von einem Tausentel Gramm gleichkommt.
Unabhengig von Maxwell und, wie es scheint, ohne seine Überlegungen zu kennen gelangte Bartoli (1879) auf einem ganz anderen Wege zu der Behauptung dass das Licht Druckkräfte ausüben muss. Bartoli ging von der bekannten Tatsache aus, welche in der Wärmelehre als der zweite Hauptsatz der Termodynamik bezeichnet wird, dass es nämlich unmöglich ist ohne Arbeitsaufwand die Wärme von einem kälteren Körper auf einen wärmeren zu übertragen: Bartoli hat darauf hingewiesen dass ein jeder Körper Strahlen aussendet und dass es principiell wohl möglich ist aus einem innen vollkommen spiegelnden Cylinder und einem darin beweglichen spigelnden Stempel eine Vorrichtung zu bauen, welche es gestattet, durch Zurückziehen des Stempels einen Teil der strahlenden Energie des kälteren Körpers in den Cylinder aufzusaugen, diese Energiemenge zu transportiren und durch Vorschieben des Stempels sie in einen wärmeren Körper überzufüren, analog wie eine Gartenspritze es uns erlaubt das Wasser aufzusaugen um es dann in die Höhe zu spritzen. Wenn der praktischen Ausfürung einer solchen Maschiene auch enorme Schwierigkeiten entgegentreten, so ist ihre principielle Möglichkeit durchaus sicher und Bartoli schloss daraus dass man den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nur dann aufrecht erhalten kann, wenn das Einspritzen der strahlenden Energie in einen wärmeren Körper unter Aufwand von Arbeit vor sich gehen wird, mit anderen Worten, dass der Verschiebung des Stempels sich eine Gegenkraft widersetzt, welche durch die Druckkräfte der Strahlung auf den Stempel bedingt sein muss.
Somit gelangten unabhengig von einander und auf durchaus verschiedenen Wegen Maxwell und Bartoli zu derselben Behauptung: die Lichtstrahlen müssen Druckkräfte auf die Körper ausüben auf welche sie fallen1.
Diese theoretische Voraussagung experimentell zu prüfen hatte Bartoli versucht, konnte aber trotz seiner grossen Geschicklichkeit das erstrebte Ziel nicht erreichen, weil die Hülfsmittel über welche die Experimentirkunst zu seiner Zeit verfügte, nicht ausreichend waren. Im Laufe der folgenden zwanzig Jahre haben sich die Mittel der experimentellen Technik in einer ungeahnten Weise entwickelt: selbst in bescheiden ausgerüsteten Laboratorien standen mächtige Lichtquellen in Form von elektrischen Bogenlampen zur Verfügung und die neuen Quecksilberluftpumpen gestatteten es die Luft unschwer auf einen millionten Teil des Atmosphärendruckes zu verdünnen. Der Zeitpunkt war gekommen die Frage bezüglich der Druckkräfte des Lichtes experimentell in Angriff zu nehmen und nach etwa dreijähriger Arbeit sind mir diese Versuche gelungen (1900). Die Versuchsanordnung war die folgende: in einem auf das äusserste evacuirten Glasballon hing an einem sehr dünnen Glasfaden ein kleiner horizontaler Balken, an dessen Ende ein Flügel von etwa 5 mm durchmesser aus Platin, Aluminium, Nickelblech oder Glimmer befestigt wurde; auf diesen Flügel wurde mit Hülfe von Linsen das Licht einer Bogenlampe geworfen: die auftretenden Druckkräfte des Lichtes liessen sich dadurch messen, dass der getroffene Flügel durch das Licht etwas verschoben wurde, den Glasfaden tordirte und sich in der neuen Ruhelage wider einstellte; wurde das Licht abgeblendet so ging der Flügel in seine ursprüngliche Lage zurück. Die Grösse der experimentell gemessenen Ablenkung und die Ablenkung des Flügels welche aus der gemessenen Energiemenge der auffallenden Strahlung sich nach Maxwell-Bartoli theoretisch vorausberechnen lässt stimmten innerhalb der möglichen Versuchsfehler vollkommen mit einander überein.
Fast gleichzeitig mit meinen Arbeiten erschienen analoge Untersuchungen von Nichols und Hull (1901), welche gleichfalls die Existenz der Druckkräfte des Lichtes auf einen Silberspigel nachwiesen und etwas später hat Poynting (1903) eine schöne Untersuchung einiger besonders interessanter Specialfälle dieser Druckkräfte veröffentlicht.
Ich möchte hier noch erwähnen dass es mir vor kurzem gelungen ist die Druckkräfte des Lichtes auf Gase messend zu untersuchen2. Es hat sich experimentell mit vollkommener Sicherheit feststellen lassen, dass der Lichtstrahl wenn er eine Gasmasse durchsetzt die einzelnen Gasmoleküle in der Richtung seiner Fortpflanzung mitzufüren sucht3; in Uebereinstimmung mit der Maxwell-Bartoli’schen Theorie waren die hierbei gemessenen Kräfte noch etwa hundert mal kleiner als die Druckkräfte des Lichtes auf feste Körper.
Aus dem oben gesagten folgt dass wir zur Zeit berechtigt sind die Existenz der Druckkräfte des Lichtes sowohl vom Standpunkte ihrer theoretischen Begründung durch Maxwell und Bartoli, als auch durch ihre eingehende experimentelle Untersuchung als ausser jedem Zweifel bewiesen zu betrachten.
Eine weitere Stütze erhält diese Behauptung noch durch den neuerdings theoretisch abgeleiteten allgemeinen Satz von Lord Rayleigh (1902) dass nicht nur das Licht, sondern dass allgemein jede Wellensbewegung bei ihrer Ausbreitung auf Körper welche sie trifft Druckkräfte ausüben muss und dass in Uebereinstimmung mit den Gesetzen welche für die Druckkräfte des Lichtes gelten, die Druckkräfte jeder Wellenbewegung der auffallenden Energiemenge direkt und der Geschwindigkeit ihrer Ausbreitung umgekehrt proportional sind. Auch dieser allgemeine Satz hat seine experimentelle Prüfung glänzend bestanden: Kapzov (1902) hat unschwer nachweisen können dass Wellen welche sich auf der Oberfläche einer ruhenden Wassermasse ausbreiten schwimmende Körper welche die Ausbreitung der Wellen hindern in der Richtung ihrer Ausbreitung verschieben; die Druckkräfte der Schallwellen wurden von Altberg (1903) experimentell nachgewiesen: fallen Schallwellen auf eine reflektirende Wand so entsteht an derselben ein messbarer Überdruck der die Wand in der Richtung weg von der Schallquelle zu verschieben sucht.
Aus der nunmehr so sicher begründeten Tatsache dass Lichtstrahlen Druckkräfte ausüben lassen sich gewisse Folgerungen ziehen, welche nach zwei Richtungen hin unser Wissen vertieft und erweitert haben: sie gestatten uns sowohl die fundamentalen Gesetze der Strahlung warmer Körper theoretisch zu linden als auch einige Erscheinungen der Astrophysik in einfacher Weise zu deuten.
Es hat Boltzmann (1883) die von Bartoli gemachte Überlegung weiter gefürt und die Frage aufgeworfen in welcher Weise die Druckkräfte der Strahlung und mithin auch die Strahlung selber von der Temperatur abhengig sein muss um dem zweiten Hauptsatze der Termodynamik zu genügen: durch eine Reihe scharfsinniger Überlegungen gelang es die Gesetze aufzufinden, welche die Strahlung mit der Temperatur verbinden; durch ausgedehnte Versuche wurden diese Gesetze geprüft, bestätigt gefunden und sie geben uns jetzt Aufschlüsse in einer Reihe von Fragen über die Strahlung der Sonne und unserer künstlichen Lichtquellen. Durch die bisher gewonnen Resultate ist die von Boltzmann eingeschlagene Richtung bei weitem nicht erschöpft und eine Fülle von Problemen welche mit der Strahlung und mithin mit deren Druckkräften verknüpft sind harren noch ihrer eingehenden Bearbeitung.
In einer anderen Richtung — in der Astrophysik haben die Druckkräfte des Lichtes schon sehr viel früher als sie von Maxwell und Bartoli theoretisch begründet wurden eine Anwendung gefunden um die eigentümlichen Formen der Kometenschweife zu erklären: vor fast dreihundert Jahren hat der grosse Kepler (1617) den Grundstein für die physikalische Behandlung astronomischer Probleme gelegt, als er die Vermutung ausgesprochen hat, dass die Form der Kometenschweife und insbesondere die Tatsache dass sie vom Kometenkopfe ausgehend sich immer in der Richtung weg von der Sonne entfalten, leicht zu erklaren wäre, wenn man den Strahlen der Sonne Druckkräfte zuschreibt, welche die gasförmige Materie der Schweife mitreissen.
Im Laufe der Zeit geriet die Vermutung von Kepler, deren Begründung ausblieb, in Vergessenheit und erst in neuerer Zeit hat auf der theoretisch und experimentell begründeten Basis fussend Arrhenius (1902) in einer glänzenden Zusammenfassung die Rolle, welche den Druckkräften des Lichtes in der kosmischen Physik zukommt, klarzulegen gewusst und sie einer Berechnung unterzogen: die abstossenden Kräfte, welche die Sonnenstrahlung auf einen Körper ausübt sind, wie wir oben gesehen haben nur sehr gering, sie treten aber den anziehenden Kräften der Sonnenmasse gegenüber immer mehr in den Vordergrund je kleiner der Körper wird. Es lässt sich leicht berenchen dass ein kleines Schrotkügelchen von der Sonne noch etwa hundert mal stärker angezogen als es durch die Druckkräfte seiner Strahlen abgestossen wird. Nehmen wir aber ein Kügelchen dessen Durchmesser hundert mal kleiner ist, so ist seine Masse und mithin auch seine Anziehung durch die Sonne eine Million mal kleiner als die der Schrotkugel, während seine Oberfläche und mithin auch die Grösse seiner Abstossung durch die Sonnenstrahen nur zehntausend mal kleiner ist, als bei der Schrotkugel: die Anziehung welche die Sonnenmasse auf dieses kleine Kügechen ausübt ist gleich der Abstossung welche sie durch die Druckkräfte ihrer Strahlung auf dasselbe ausübt — beide Kräfte sind gleich gross und heben sich auf. Bei Körpern, die noch kleiner sind überwiegen die Druckkräfte der Strahlung — sie werden von der Sonne mit Kräften abgestossen welche das Vielfache ihrer Anziehung übersteigen: für alle Erscheinungen welche sich auf die Bewegung der organischen und mineralischen kosmischen Staubes beziehen sind somit die Druckkräfte des Lichtes von ausschlaggehender Bedeutung.
In einer interessanten theoretischen Arbeit ist es Debaye (1909) gelungen noch weiter zu gehen, die Berechnung der Druckkräfte welche die Strahlung der Sonne auf einzelne Gasmoleküle des Kometenschweifes ausübt durchzufüren und zu zeigen dass diese Kräfte die Erscheinung der Kometenschweife vollkommen erklären.
Für den kommenden März kündigen die Astronomen das Widererscheinen der Haley’schen Kometen an, dessen herliche Schweifbildung im Jahre 1607 Kepler bewunderte — es wird sich also eine Gelegenheit bieten an klaren Abenden die Erscheinung welche wir nunmehr sicher als Druckkräfte des Lichtes auf Gase deuten in der einfachsten Form und in solcher Pracht zu beobachten, wie wir sie in unseren Laborien nie beobachten können.
- Moskau, Universität, Physikalisches Institut.
Note
- ↑ Für einen Parallelstrahlenbündel welcher senkrecht auf eine ebene Fläche fällt fanden Maxwell und Bartoli übereinstimmend die Grösse der Druckkraft p
worin E die pro Secunde auffallende Energiemenge, V die Lichtgeschwindigkeit und r das Reflexionsvermögen der Fälche bedeutet: für einen mattschwarzen Körper ist r=0, für einen vollkommenen Spigel ist r= 1.
- ↑ Diese Arbeit ist soeben abgeschlossen und noch nicht publicirt.
- ↑ Auf die Einzelheiten der Versuchsanordnung kann ich hier nicht näher eingehen, möchte aber betonen dass das Licht nur solche Gasmoleküle angreift, welche es absorbiren.