Rätoromanische chrestomathie VII/Einleitung

Einleitung

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Einleitung.

Nach den gewaltigen Kämpfen, welche die Glaubenstrennung hervorgerufen hatte, dem erregten Parteileben und den blutigen Strafgerichten des 16. und 17. Jahrhunderts folgte eine Periode der Erschöpfung und der Ruhe. Die beiden Glaubensparteien verblieben in dem Besitzstand, wie er um die Mttte des 17. Jahrhunderts ausgemarktet worden. Die konfessionell einheitlichen Hochgerichte, protestantische wie katholische, bestraften den Übertritt zum anderen Glauben mit Verbannung. In den gemischten Gemeinden und Hochgerichten waren die beiderseitigen Rechte durch Urteil oder Herkommen wohl ausgeschieden, und man beschränkte sich hüben und drüben darauf, eifersüchtig über seinen Teil an Recht und Besitz zu wachen. Eine genau umschriebene Parität regelte das religiöse und politische Leben Graubündens im 18. Jahrhundert. An die Stelle der gewaltigen Leidenschaften und der scharf ausgesprochenen ganzen Charaktere waren behutsame Ruhe und diplomatisch berechnende Männer getreten.

Trotz der absoluten Demokratie übten die adeligen Familien einen massgebenden Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten aus, und der Ton, den die Autoren in ihren Dedikationen an die gnädigen Herren anschlagen, zeigt, dass das demokratische Gefühl, das in den Strafgerichten seine Orgien gefeiert hatte, nun ein sehr gedämpftes war. Wenn hie und da, wie im Marniahandel, die Volkswut entfesselt wird, so fehlt jener Zug ins Grosse, der die blutigen Taten der vorigen Jahrhunderte für unser Gefühl etwas erträglicher macht.

Aber trotz allem blieb etwas vom alträtischen Geist und vom Bewusstsein dessen, was man an dem Erbe der Vergangenheit besass. Wohl fanden die Ideen der Aufklärung auch in Graubünden begeisterte Anhänger. Aber die Männer von „alt fry Rätien“, wo Freiheit und Gleichheit in dem Boden eines reichen Gemeineigentums wurzelten, glaubten der fränkischen Freiheitsbäume entbehren zu können, und trotz des Anschlusses an die helvetische Republik wurde nach kurzer Zeit die alte Ordnung, wie sie vor dem Einfall der Franzosen bestanden hatte, in Graubünden wiederhergestellt. So kann das kulturelle Leben des Engadins bis zu den dreissiger Jahren des 19. Jahrhunderts als eine Fortsetzung des 18. bezeichnet werden. Religiöses und politisches Denken, Sitte und Brauch, Leben und Lebensgewohnheiten sind während des langen Zeitraumes von 1700 bis 1830 im wesentlichen gleich geblieben. Wir hätten denn auch in diesem Bande unsere Sammlung bis zu letzterem Zeitpunkte (1830) geführt, wenn nicht damit der Umfang des Bandes ein zu grosser geworden wäre. [p. vi modifica]

Wie früher, so trachteten wir auch in diesem Bande danach, durch die mitgeteilten Literaturdenkmäler ein Spiegelbild der Kultur des Zeitraumes zu bieten.

Das Exempelbuch zeigt uns, wie die antiken Stoffe verschiedentlich benutzt den Weg zu den Rätoromanen fanden, während aus den beiden Volksbüchern erhellt, dass die Reformation die Vorliebe für die farbenprächtigen Sagen des Mittelalters nicht zu bannen vermocht hatte.

Für das religiöse Leben des Engadins im 18. Jahrhundert sind charakteristisch das Lied wie die Predigt über die Lawine von Fetan. In der Leichenpredigt des Kanzlers Marnia hören wir noch, wenn auch leise, den letzten Widerhall der wüsten Leidenschaften, welche in jenem Handel einen so grässlichen Ausdruck gefunden hatten. Mit dem „Liebesgarten“hält das Rokoko seinen Einzug ins Engadin, während die Lieder und die Predigt des Johann Baptista Frizoni uns von dem Kampfe um den Pietismus erzählen. Die beiden bis dahin unbekannten Briefe des Gaudenz Planta werfen bezeichnende Streiflichter auf jenen Widerstreit der Gefühle, unter welchem die führenden Staatsmänner Graubündens sich für den Anschluss an die schweizerische Eidgenossenschaft entschieden; es dürfte kaum ein zeitgenössisches Zeugnis sich finden, das uns einen solch unmittelbaren Einblick in die tieferen Motive jener Vereinigung sowohl wie der ihr entgegenstehenden Bedenken gewähren würde.

Die Grundsätze, denen wir bei der Edition der Handschriften folgten, sind dieselben, welche wir in der Einleitung zum sechsten Bande auseinandergesetzt haben.

Ms. Zar.

Papierhandschrift, 4°. 64 foll., von John Harmon Zadrell 1746 geschrieben. F. 1a — 39b enthält L’jstorgia dall Cavalier Peter Et da la Bella Magullonia, f. 40a — 51b Üna Hisioria da Alexandar Lg Pitschan, f. 52a — 59b Una Descriptiun co l Imperadur Tiberius quachel fuo cruda in üna greiva Malatia haja tramiss ilg Princii Volusin a Jerusalem per dumandar a Christus davart sia Malatia, f. 60a — 64b Descriptiun Devart las Plajas dals Judaus da Schlatta in Schlatta paramur dalg puchia comiss contra Jesum, cur ell er ngiu dad ells crucifichia et a la mort mana.

Daraus abgedruckt: Una Historia da Alexandar lg Pitschan und L’Istorgia dall cavalier Peter et da la bella Magulonia, p. 1 — 24.

Ms. Xr.

Papierhandschrift, 4°, 108 foll., von einer geübten Hand.

Im Besitze des Herausgebers.

Enthält nur die p. 25 — 111 abgedruckten [Alchiünas bellas et nazaivlas Historgias]. [p. vii modifica]

Ms. Wgl.

Papierhandschrift, 8°, 45 foll. von der gleichen Hand, Pergamentdeckel.

F. 1a — 21a enthält Gebete und Katechismusfragment, f. 21b folgende Notiz: Anno 1702 suna stat ad inprender oura luzain in chiasa dal ama (n) [m]üler in barat Peider C. Viletta, f. 22a — 37a Wörterverzeichnis deutsch und romanisch, 37b — 39a Grammatikalische Formen, f. 39b — 40b leer, f. 41 Gebete deutsch und romanisch, f. 42 Musiknoten, f. 43a — 45b Brief deutsch und romanisch.

In der Kantonsbibliothek.

Daraus abgedruckt: [Chiartas] p. 111 und Pleds rumauntschs et tudais-chs p. 112.

Ms. Ru.

Papierhandschrift, 4°, 121 foll., von verschiedenen Händen des XVII. und XVIII. Jahrhunderts, in Pergamentdeckel.

Enthält eine romanische Arithmetik und ein romanisches Receptenbuch, Rechnungen und Verträge.

Auf f. 2a nennen sich Curadin und Cllo Stupauns scollars in Ardetz 1747 als Schreiber.

In der Kantonsbibliothek.

Daraus abgedruckt: Cudesch de maschdinas p. 130 — 157.

Ms. Ste.

Eine Papierhandschrift, 4°, aus der ersten Hälfte des XVIII. Jahrh., von einer geübten Hand, in Holzdeckel mit Lederüberzug.

F. 1a leer, f. 2b enthält Schreibübungen von späterer Hand, f. 3a — 67b PHYTOLOGIA PARS [PRIMA] CHI TRATEN DAVART LAS PLANTAS, f. 68 leer, f. 69a — 71b CLASSA SECUNDA CHI TRATA DAVA[R]T LAS MEDICINAS ALTERANTAS, f. 72a — 78b SEQUE REMEDIS DA ERBAS ET RAGISCHS, f. 79a enthält mit Bleistift geschriebene Notizen des Joan Steiven Stainer, f. 79b — 121a leer, f. 121b enthält Notizen von späterer Hand, f. 122a leer, f. 122b — 124b eine Neujahrsrede, f. 125 Schreibproben, f. 126a — 138b ARCHANA CYMICHA Petri Ludovici M. D.

In der Kantonsbibliothek.

Daraus abgedruckt: Remedis da Erbas et Ragischs p. 158 — 165.

Ms. Vp.

Papierhandschrift, 4°, ein Vorsatzblatt und 158 paginierte Blätter, von zwei Händen, in Kartondeckel.

Enthält nur die Historia rætica.

Auf dem Vorsatzblatt findet sich die Notiz: Historia Rhätica descritta [p. viii modifica] et translada in Lingua vulgara tras il Molto Revdo Sr Giacomo Vulpi Copiada sut A°. 1743 da Giov: Baltha[sa]r Plantamberg.

In der Kantonsbibliothek.

Daraus abgedruckt: Historia rætica. p. 177 — 207.

Ms. Klag.

Papierhandschrift in Grossfolio, 218 fol., von verschiedenen Händen, Ledereinband.

Enthält f. 1a — 43a Rechnungsbuch, f. 43b — 154a Tschantamaint da Comün [Ardetz], f. 154b — 166b leer, f. 167a — 174a Una C[hi]anzun mundauna bella, f. 174b — 175a leer, f. 175b — 176a Zuschrift an Junker Oberfogt, f. 176a — 176b Gedicht: Die 4 Jahres Zeiten, f. 177a Lied auf die Heiligen des Franziscanerordens, f. 177b leer, f. 178a Partizun da ils officis Valtalina, f. 179a — 180a leer, f. 180b — 182a Gebet, f. 182b leer, f. 183a — 184b Cudern dellas Auguas, f. 185 — 189b leer, f. 190a — 191a Recepte, f. 191b — 195a leer, f. 195b — 196a Sancts Amuossamaints, f. 196b — 197b Rechnungen, f. 198 — 199a leer, f. 199b — 203a Fortsetzung des Rechnungsbuches, f. 204a — 210a Historgia Et Plondt da Courdöli supra La Imatura Et improvista Beada Mordt . . . da . . . Andreja Tumasch Durj, f. 210a — 211a Luamaints, f. 211b leer, f. 212a — 218b Register des Rechnungsbuches.

Auf f. 43b findet sich folgende Notiz: Quaist bel cudasch nomna il Tschantamaint da Comün apertain all honorat et prudaint juven Sar Lüza Pitschen Tom et eug il dat per dunativ cioe Andreja Jon Klalgüna, f. 197b nennt sich Andreja J. Klalüna als Besitzer des Buches.

In der Kantonsbibliothek.

Daraus abgedruckt: Üna c[hi]anzun mundauna bella p. 313 — 317.

Ms. Gza.

Papierhandschrift, 4°, 62 foll., von einer Hand, in Kartondeckel.

Enthält ein Katechismusfragment und Lieder.

F. 23b nennt sich Prassfal Vanzaun als Schreiber.

In der Kantonsbibliothek.

Daraus abgedruckt: Cordiala Condolentia p. 318 — 329.

Ms. Rod.

Papierhandschrift, 4°, 9 foll., von der gleichen Hand.

Enthält romanische Lieder und ein italienisches Lied: Canzonetta d’üna Monicha.

Im Besitze des Herausgebers.

Daraus abgedruckt: Chanzuns und Chianzun sün la fin dell ann 1797. p. 479 — 484.