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Tageslänge nicht auffallend. Ferner ist die Sonnen periode recht lang (365 Tage) und schwer genau festzustellen; die verschiedenen Völker haben Tausende von Jahren mit dieser Schwierigkeit gekämpft.

Ganz andere Verhältnisse traten ein, sobald das Nomadenleben dem Ackerbau weichen musste. Die Pflanzen folgen in ihrer Entwicklung gänzlich dem jährlichen Sonnenlauf und dasselbe gilt für die himmlischen Wässer mit ihren Regenperioden und für die Überschwemmungen der Flüsse, welche häufig von einschneidender Bedeutung waren (besonders war dies in den vornehmsten alten Kulturländern, Babylonien und Ägypten der Fall). Da das Sonnenjahr 365.24 Tage umfasst und also zwischen 12 und 13 synodischen Monaten (354.4 bzw. 384 Tage) fällt, konnte man ein aus mehreren synodischen Monaten zusammengesetztes Jahr nicht gut benutzen. Anfangs hat man wohl das versucht (die Mohammedaner haben noch Jahre von 12 synodischen Monaten), man muss aber in den meisten Fällen bald eingesehen haben, dass diese Methode sich nicht gut bewährte. Man führte das wirkliche Sonnenjahr von 365 Tagen ein. Die Völker, welche nach Mondjahren rechnen, helfen sich mit häufig zurückkehrenden Schaltjahren.

Die Erkenntnis, dass die Sonne mehr für die Menschheit bedeutet, als der Mond, wurde allmählich so kräftig, dass der Sonnengott als Obergott anerkannt wurde, Dies geschah etwa um 2000 v. Chr. in Babylon. Der Sonnengott wurde auch mit dem Jupiter-Gott Marduk, dem Schutzgott Babylons identifiziert. — Nebenbei möge bemerkt werden, dass Marduk auch eine hervorragende Rolle als Heilgott spielte. — In Ägypten wollte sogar Amenhotep IV um 1400 v. Chr. den Sonnengott als den einzigen Gott anerkennen. Aurelian nahm ebenfalls die Sonne als Obergott für Rom an.1 In Mexico stellte man fest, dass 52 Jahre (von 305 Tagen) mit 73 Tonalamatl übereinstimmen.

Ganz auffallend ist es, dass einer von den Planeten, nämlich Venus, bei der Zeitrechnung der Mexikaner eine fast ebenso wichtige Rolle spielte wie der Mond und die Sonne. In der Tat ist der Lichtwechsel dieses Planeten ganz enorm, ungefähr wie derjenige des Mondes, und er ist das nächst

  1. Cumont: I. e., S. 241.