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In gesamtschweizerischen Publikationen werden die Alpengebiete mit unterschiedlicher Intensität, aber regelmässig einbezogen, nicht nur als Orte nationaler Ausstrahlung, sondern qua eigener Existenz. Dies gilt zum Beispiel für die 1982 erschienene «Geschichte der Schweiz - und der Schweizer», bekannt unter dem programmatischen französischen Kurztitel «Nouvelle Histoire». Demographische, sozioökonomische und kulturelle Themen nehmen darin breiten Raum ein und markieren ein Abrücken von der Dominanz der politischen Geschichtsschreibung. In den Passagen zum Alpenraum findet man allerdings neben neuen Gesichtspunkten auch manche traditionsbefrachtete Auffassung.4

Kurz vor und nach dieser einflussreichen Publikation organisierten zwei schweizerische Vereinigungen erstmals Tagungen zur alpinen Geschichte. Der Historikertag von 1979, veranstaltet von der Allgemeinen Geschichtsforschen den Gesellschaft der Schweiz, widmete sich der «Geschichte der Alpen in neuer Sicht», speziell dem Verkehr, der historischen Demographie und dem Innovationsverhalten. Dabei kamen nicht nur Fachhistorikern zu Wort, sondern auch Volkskundler, Anthropologen und Geographen. Angeregt und geleitet wurde die Tagung von Jean-Franijois Bergier, der die alpine Geschichts forschung im nationalen und internationalen Kontext schon früher mit eigenen Beiträgen gefördert hatte.5 1984 stellte dann die junge Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte ihren Jahreskongress unter das Thema «Das Gebirge: Wirtschaft und Gesellschaft». Auch hier zählten Sozialwissenschaftler benachbarter Disziplinen mit zu den Referenten.6

Die Kantone des Alpenraums werden in der Schweiz normalerweise «Berg-» oder «Gebirgskantone» genannt. An der Regierungskonferenz der Gebirgskantone, ihrem Zusammenschluss, beteiligen sich gegenwärtig 8 von insgesamt 26 Kantonen, die gemeinsam mehr als zwei Drittel des alpinen Territoriums ausmachen. Kantonale Darstellungen haben in der schweizerischen Geschichtsschreibung einen festen Platz, und neue Unternehmen sorgen gerade in jüngster Zeit für die nötige Aktualisierung.7 So hat Christian Pfister 1995 einen Band zur Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt im Kanton Bern von 1700-1914 vorgelegt. Gestützt auf eine umfangreiche statistische Datenbank, analysiert er unter anderem die Entwicklungspfade der Regionen, die sich hier auf verschiedene geographische Räume verteilen.8 Im Kanton Graubünden, dessen Territorium ganz innerhalb des Alpenraums liegt, arbeitet eine Gruppe von Autoren seit einigen Jahren an einem «Handbuch der Bündner Geschichte». Das Werk soll in drei Bänden erscheinen und verschiedenste Dimensionen der Kantonsgeschichte, auch kulturelle und politische, von den


MATHIEU: ALPENDISKURS UND HISTORISCHE FORSCHUNGSPRAXIS IN DER SCHWEIZ 49