Pagina:Decurtins - Rätoromanische chrestomathie, XII.djvu/20

XII Einleitung

Aufsatz III „Ein uralter Mythus“, welcher im Märchen des Sonnenfürsten il prenzi dil solegl sich birgt und eine Reminiscenz uralten Sonnenkultus ist1.

Im Jahre 1881 publizierte Decurtins im Archivio glottologico diretto da G. J. Ascoli (Löscher, Roma) vol. VII 2 (pag. 149 — 364) Quattro testi soprasilvani. 1. Cudisch dil viadi a Jerusalem 1591. Das älteste Denkmal der surselvischen Literatur, ein beliebtes Volksbuch, das nach einer Abschrift des 18. Jahrhunderts abgedruckt wurde. Das Original war deutsch, doch muß die Übersetzung bald erfolgt sein2; denn P. Plazidus a Spescha glaubte das romanische Original gesehen zu haben3. 2. Cuorta memoria della successiun dil diember dils avats. Eine Chronik des Klosters Disentis im surselvischen Dialekte, zwischen 1642 — 1696 mit der Absicht abgefaßt, die Immunität des Klosters gegen das Hochgericht zu erweisen. Von 613 — 1528 bietet die Chronik einen Auszug aus den 9 Folianten der Klostergeschichte, die im Franzosenkrieg 1799 im Brande vernichtet wurden. Von 1526 — 1716 ist sie selbständig weitergeführt worden. Diese bietet fur Philologen und Historiographen eine reiche Ausbeute. Eine Probe mit Manuskriptvariationen ist abgedruckt in der Rätor. Chrestom. Bd. I S. 202 bis 208. 3. Vita de Sogn Giosaphat convertius de Sogn Barlaam4. Ein beliebter Volksroman, der als Schulvorlage benützt wurde. Es dürfte seine erste Fixierung bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erhalten haben und weist darum zahllose sehr alte romanische Wörter und Ausdrücke auf. 4. Roman u Historia de Octavianus, Kaiser de Roma. Ebenfalls ein beliebtes Volksbuch. Die Quelle, aus welcher der Schreiber geschöpft hat, kann hier ebensowenig wie beim vorhergehenden angegeben werden. Im VII. Bd. Heft 3 der Rivista glottologica hat Ascoli diesen Roman ins Italienische übersetzt und mit philologischen Fußnoten versehen.

Diese vier Texte dürften für sintaktische Studien des Rätoromanischen besonders zu empfehlen sein. — Im Jahre 1882 veröffentlichte Decurtins bei Schill, Luzern: „Diari da Berchter“5 ein romanisches Tagebuch, in welchem ein Disentiser Bauer in treuherziger Weise die französische Invasion von 1799 beschrieb.

  1. Rätor. Chrest. Bd. II S. 76. Vgl. auch Caminada, Bündner Friedhöfe, Orell Füssli, Zürich, S. 105.
  2. In einem deutschen Manuskript des Archivs von Dr. Decurtins liest man: „1592. Abgeschriben von wortt zu wortt auß ihr Fl Ge. handschrift selbs durch mich Conradum Pardters derzeit Ihr Fl. Diener daselbst.“4 Roman. Paralleltexte D. Chr. 220 — 229.
  3. Eine Volksausgabe wurde durch Florin Berther als erste Nummer Nies Tschespet in Basel, Basler Volksblatt 1891, besorgt.
  4. Eine Probe mit vier Paralleltexten D. Chr. Bd. I S. 262 — 268.
  5. Teilweise abgedruckt D. Chr. Bd. I S. 403 — 408.